Dead Sea Ultra Marathon
Lauf zum tiefsten Punkt der Erde
15. April 2005 Amman, Jordanien
Bericht vom Halbmarathon
 
Die Pastaparty dürfte sicher einmalig in der ganzen Läuferwelt sein. Vor der ansprechenden Kulisse des Hyatt Hotels in Amman begrüßte der Präsident des Organisationskomitees, Herr Rafic Hamarneh, die Athleten und Begleitpersonen und sprach seinen Dank an Ihre Majestät Königin Rania Abdullah (nicht anwesend) für die großzügige Unterstützung dieser Laufveranstaltung aus. Königin Rania ist recht sportlich, nahm 2003 an einem 10-Kilometer-Lauf in Amman teil und kam mit beeindruckenden 50:51 ins Ziel. Bleibt nur zu hoffen, dass sich das wachsende Interesse am Laufsport an weiteren Königshäusern fortsetzt.

Der Schirmherr des Dead Sea Ultra Marathons, HRH Prinz Raad Bin Zeid, ergriff als zweiter Redner das Wort, sprach freundliche Worte zu den Sportlern, betonte die Schönheit seines Landes, wies auf die völkerverbindende Wirkung des Sports hin und bat zur Demonstration der Internationalität des Laufevents von jedem Land eine/n Läufer/in auf die Bühne. Nach dem Gruppenbild mit 34 Nationen eröffnete Prinz Raad das Büfett, an dem es neben zahlreichen Köstlichkeiten auch den Kohlenhydrateklassiker gab.

Pasta Party im Hyatt-Hotel Prinz Raad Bin Zeid am Rednerpult
Am nächsten Morgen hieß es zeitig aus den Betten zu kommen. Der Bus des Laufreiseveranstalters Kreienbaum fuhr pünktlich um 5.15 Uhr zu einer Messehalle in Amman, dem Startpunkt der Ultraläufer und Sammelpunkt der Marathon- und Halbmarathonläufer. Dort erfolgte das Einchecken und Aufteilen in drei Gruppen. Um 6.30 Uhr wurde das große Hallentor geöffnet. Der Startschuss für die 50-Kilometer-Läufer erfolgte. Die Akustik der Halle sorgte für eine nicht alltägliche Geräuschkulisse und unter Beifall und Jubel wurden die Athleten auf ihren weiten Weg zum Toten Meer geschickt.

Wenig später war es für die 21-Kilometer-Läufer Zeit, ihre Busse, die vor der Messehalle warteten, zu besteigen. Da Herr Rafic wohl eine Vorliebe für Startzeremonien und Starts hat, wurde wieder das Hallentor geöffnet und er versuchte mit anfeuernden Rufen durch sein Megaphon die Gruppe auf die 200-Meter-Strecke zu den Bussen zu schicken. Eine Spannung für dieses Laufereignis hatte sich bei mir schon Tage vorher eingestellt. Als ich mich im Freien befand, war es für mich ein besonders emotionaler Augenblick, als gerade in diesem Moment über Amman die Sonne aufging.
Nachdem ich in einem Bus einen freien Sitzplatz gefunden hatte und die restlichen Plätze besetzt waren, ging´s sofort los zum 29 Kilometer entfernten Start.

Wie es bei Starts nun mal üblich ist, hieß es dort erst einmal wieder warten. Die Sonne stieg höher und höher und die Schlange vor dem Dixi-Klo wurde durch gut hydrierte Läufer/innen länger. Da wir hier weit ab von einer Ortschaft waren, bot sich die Wüste mit ihren Hügeln und Buschwerk als Alternative zu dem kleinen Plastiksanitärhäuschen an.

Nachdem die Startzeit leicht überschritten war, kam aus Richtung Amman ein Hubschrauber und kreiste über dem Starterfeld. Eine Durchsage über das Megaphon vom Starter war zu vernehmen. Darauf folgte der Startschuss auf der Bergabstraße zum tiefsten Punkt der Erde. Das Gefälle der Straße verleitete mich ohne vorheriges Warmlaufen sofort mit meiner Maximalgeschwindigkeit durchzustarten. Groß war der Schreck, als sich nach einigen hundert Metern Knieschmerzen einstellten. Für mentale Therapie war der Schmerz zu groß. In Gedanken sah ich schon Bilder, wie man mich in den Lumpensammlerbus reinzerrte oder mich auf ein Kamel band, um mich zum Toten Meer zu schaffen . Wie peinlich! Und aus dem Zielfoto für die Webseite würde nichts!! Mein Tempo reduzierte sich automatisch, ich versuchte den Auftritt zu verändern und die Schmerzen waren fast so schnell weg, wie sie gekommen waren. Puh! War das ein Schreck.

Ganz entspannt konnte ich mich jetzt auf die Strecke konzentrieren. Die ersten 15 Kilometer gingen nur bergab. Den Berg hinunter zu laufen ist ja nichts Ungewöhnliches. Da aber am Straßenrand beim Passieren der NN-Höhe ein Obelisk und Hinweistafeln aufgestellt waren, war es doch ein eigenartiges Gefühl jetzt unter Meereshöhe - und soweit das Auge reichte - immer tiefer zu laufen.

Die Laufstrecke führte durch Steinwüste, in der teilweise Buschwerk zu finden war. Vereinzelt standen Häuser und Geschäfte am Straßenrand. In einiger Entfernung von der Straße hatten Beduinen ihre Zelte aufgebaut. Hier und da waren Schäfer mit ihren Herden unterwegs. Dabei ist es mir ein Rätsel, wovon diese Tiere leben. Eigentlich können die Schafe nur die gleiche Nahrungsgrundlage wie die Loriot´sche Steinlaus haben.

Mittlerweile überholten uns die ersten Marathonläufer. Der Hubschrauber pendelte zwischen Spitzenfeld und Teilnehmerende hin und her. Ein Flieger mit Tragflächen kam hinzu, der wiederholt die Laufstrecke abflog und allem Anschein nach einen Rekord im Niedrigfliegen aufstellen wollte.

Irgendwann tauchte das Tote Meer vor mir auf. Ich hatte die Karte noch im Kopf und konnte auf der anderen Seite des Jordan Jericho erkennen. Dieser Ort gilt als älteste und mit 260 Meter unter NN als tiefstgelegene Stadt der Welt. Wenig später zeichnete sich Jerusalem auf einem Bergzug ab, etwa 30 Kilometer entfernt und 1100 Meter höher als meine Position. Hier unten brannte die Sonne immer unbarmherziger. Auf der ganzen Strecke gab es keinen Schatten. Die Füße waren seit geraumer Zeit immer schwerer geworden. Zu meiner Überraschung konnte ich immer deutlicher sehen, dass es auf den letzten Kilometern noch auf und ab ging. Eine Streckenbeschreibung hatte ich vorher gelesen, da waren aber vom letzten Stück am Meer entlang keine Steigungen erwähnt.

Zwei, drei Kilometer vor dem Ziel gingen immer mehr jordanische Jugendliche, die sich am Junior-Marathon (4,2 km) oder Fun-Run (10 km) versucht hatten. So viel müdes Jungvolk zu überholen, machte meine Schritte wieder etwas leichter.
Bald war der Abzweig von der Hauptstraße zum Zielareal am Ufer des Toten Meeres erreicht. Das Gefälle auf dem ersten Stück dieses Weges und die Zuschauer machten eine enorme Geschwindigkeit möglich. Lärm von vielen Menschen ist zu hören. Noch 100 Meter. Meine Adrenalinpumpen laufen auf Hochtouren. Ich scheine auf den letzten Metern zu schweben. Bin im Ziel. Bekomme meine Medaille. Und das Schönste: Regina (meine Frau) erwartet mich. Gratuliert mir. Regina freut sich. Ich freue mich. Die Zuschauer klatschen.

Im Ziel! Eine neue Erfahrung mit dem Wasser: Bad im Toten Meer
Der Wunsch nach einem Bad im Toten Meer kam nach kurzer Erholungszeit. Immerhin war die Temperatur bis auf über 30 Grad angestiegen. Natürlich im Schatten, der nicht vorhanden war! Also nichts wie rein in die Badehose und ab ins kühle Nass. Im flachen Randbereich bildeten sich beim Reinwaten an der Oberfläche Schlieren. Das Wasser fühlte sich seifig an. Bald schon lag ich bewegungslos an der Oberfläche und genoss diese völlig neue Erfahrung mit diesem nassen Element. Ein Wasserbett im wahrsten Sinne des Wortes. Das absolute Maximum für ausgelaugte Läufer! Da an diesem Tag kein Lüftchen wehte, hätte ich sicher auch ein Schläfchen machen können, wäre da nicht die Sonne. Ich warf einen Blick auf die anderen Badenden. Für fast alle schien die Erfahrung neu zu sein, so wie sie mit unbefangener Freude dieses "neue" Element erkundeten.
Da ich meinen Sonnenschutz mit Lichtschutzfaktor 30 nicht überstrapazieren wollte, verließ ich rechtzeitig das Wasser und duschte die Salzlösung ab.
Das Tote MeerLivemusik im ZielDer Hänigser Athlet testet das Pflaster der alten römischen Stadt JerashDer Jordan. Geschätzte Breite: 5 Meter.
In frischer Wäsche und gut abgekühlt suchte ich mit Regina ein schattiges Plätzchen unter einem Zeltdach. Auf der Bühne hatten schon einheimische Musiker und Sänger mit ihrem Darbietungen begonnen. Nach der anschließenden Siegerehrung brachte uns unser Rundfahrtbus in das nahegelegene Mövenpick-Hotel. Von dort aus begann am nächsten Tag die Fortsetzung unserer Rundreise durch Jordanien.

Über die Rundreise ließe sich viel schreiben. Da das aber nicht das Thema eines Laufberichtes ist, hier nur in Stichworten der Verlauf: Am zweiten Tag, nach einem lockeren Trainingslauf in Amman, Stadtrundfahrt durch die Hauptstadt, am Nachmittag Besichtigung der alten römischen Stadt Jerash. Abends Pasta Party. Nächster Tag: Der Lauf. Vierter Tag: Madaba "Stadt der Mosaike", Berg Nebo, wo Moses sein gelobtes Land gesehen hat und die Taufstelle, wo Johannes der Täufer gelebt hat. Nach Übernachtung in Amman Fahrt zum Nationalpark Dana, dort Wanderung mit einem Ranger. Am Abend Weiterfahrt nach Petra. In aller Frühe am sechsten Tag wieder ein Trainingslauf, dann Ganztagstour durch Petra, einer von Nabatäern in den Fels gehauenen Stadt. Siebter Tag - Training muss sein - ein Lauf vor dem Frühstück. Danach Fahrt zur Sandwüste "Wadi Rum", dort abseits befestigter Straßen eine Jeeptour. Am nächsten Tag nach dem Frühstück Rückflug nach Deutschland.

Kreienbaumgruppe in Petra Jeeptour in Wadi Rum. Hier findet auch der Desert Marathon statt.
In der grandiosen Landschaft des Wadi Rum findet am 29. September ein Wüstenlauf über 42km, 21km und 10km statt (4. Jabal Ishrin Charity Desert Marathon). Ein kleines Stück der festgefahrenen Piste bin ich abgegangen. Ohne größere Mühe lassen sich auf diesem Untergrund auch weitere Strecken laufen. In wie weit das Stück repräsentativ war, konnte ich nicht einschätzen. Wenn die Organisation genauso gut ist, wie beim Dead Sea Ultra Marathon, handelt es sich sicher um einen Lauf der besonderen Extraklasse.

Der einwöchige Urlaub und die Teilnahme am 21-Kilometer-Lauf beim Dead Sea Ultra Marathon hat bei mir die Lust geweckt, dieses sympathische Land mit sportlichen oder historischen Zielen bald wieder zu besuchen. Die Organisation des Laufevents war tadellos und das Ziel am Toten Meer in seiner archaischen Landschaft ein besonderes Erlebnis. Ungewöhnlich groß muss der Etat für diese relativ kleine Veranstaltung mit 963 Finishern (50 km, 42 km, 21 km und 10 km) gewesen sein. Neben den Sponsorengeldern gab es da vielleicht noch einen ansehnlichen Betrag aus der königlichen Schatulle.

Rainer Lingemann

 
Hintergrundfoto: Wadi Rum